Viren beherrschen die Welt, so könnte man meinen, Zumindest dominieren sie eindeutig die aktuelle Nachrichtenlage. Und dabei sind es nicht nur der Covid-19-Virus, der vor über einem Jahr eine weltweite Pandemie auslösten und mit seinen Mutanten diese ein ums andere Mal verlängert, sondern auch jene Viren, die über weltweit angelegte Cyber-Attacken Computer-Systeme befallen und stören. Für Aufsehen und Erschrecken sorgte der jüngste Angriff auf den US-amerikanischen IT-Dienstleister Kaseya, der nicht nur die Kassensysteme von hunderten Supermarkt-Filialen in Schweden stilllegte, sondern wohl auch mindestens weitere 70 Unternehmen, darunter auch deutsche, bedroht. Dabei handelt es sich wohl nur um die Spitze eines Eisberges, denn Cyber-Attacken nahmen in den letzten Jahren zu. In der Regel werden wichtige Daten in den Systemen der betroffenen Unternehmen gesperrt und unzugänglich gemacht, sodass die Cyber-Gangster Lösegelder von den Firmen erpressen können. Das Lösegeld ist dann in der Regel geringer als der Schaden bei Nichtbezahlen. Bereits 2019 soll dadurch ein Schaden von ca. 100 Mrd. Euro entstanden sein – mit steigender Tendenz. Diese Entwicklung wird zunehmend zu einer Bedrohung der internationalen Wirtschaft, sodass es nicht verwundert, dass der US-Präsident Biden seine Geheimdienste auf diese Thema angesetzt hat. Da die Erpressergruppe Russland nahe stehen soll, wird das Verhältnis des Westens zu Russland nicht zuletzt auch durch diese Aktivitäten belastet. Es wird spannend sein zu beobachten, welche Aktivitäten in Verbindung mit den anstehenden Bundestagswahl im September bzw. den Präsidentschaftswahlen in Frankreich nächstes Frühjahr zu beobachten sein werden.
Den positiven Wirtschaftsdaten können diese Entwicklungen bis dato wenig anhaben. Gemäß den Stimmungsumfragen von Sentix bzw. IHS Markit läuft der europäische Wirtschaftsmotor im Juni auf vollen Touren. Selbst die EU-Dienstleister arbeiten sich aus ihrem Covid-19-Tief heraus. Der gesamte Einkaufsmanagerindex für die bereits seit längerem brummende Industrie und die Dienstleister liegt mit 59,5 nicht nur deutlich über der Wachstum anzeigenden Marke von 50, sondern auch auf dem höchsten Stand seit Juni 2006. Darin spiegelt sich mit Sicherheit die Erleichterung und Erwartung, in SachenCovid-119-Pandemie das Gröbste überstanden zu haben. Der gesunkene Erwartungswert der Befragten und Beeinträchtigungen der Industrieproduktion durch Lieferengpässe trübt das Bild jedoch etwas, da in vergangenen vergleichbaren Phasen mit dem Überschreiten von entsprechenden Stimmungshochs in 2006 und 2010 Aktienmarkt-Korrekturen von ca. 10% die Folge waren. Ein weiteres Warnzeichen stellt der unerwartete Rückgang der deutschen Auftragseingangsdaten von -3,7% im Mai dar. Die Prognose lag bei einem plus 1% und die Tatsache, dass die Industrieumsätze im Mai um -0,5% sanken, schüttet weiteres Wasser in den Optimismus-Wein. Unterdessen werden Teile Europas von der neuen Corona-Delta-Variante attackiert, die Inzidenzen steigen in vielen Regionen vehement. Dennoch scheint man aufgrund der voranschreitenden Impfkampagne nicht gewillt zu sein, dieser neuen Welle mit Lockdown-Maßnahmen entgegentreten zu wollen. Im Gegenteil, wie das Beispiel Großbritannien zeigt. Die britische Regierung zeigt nicht nur im Zusammenhang mit der Fußball-EM, dass sie den Kampf gegen das Virus wohl aufgegeben hat. Die Aussage, dass man nun lernen müssen, „mit dem Virus zu leben“ kann jedoch erst vertreten werden, wenn wirklich allen Menschen ein Impfangebot gemacht werden konnte. Die feierwütigen Menschen in vielen Ferienregionen zeigen zudem, dass die Zeit der Vorsicht und Einschränkung vorbei sein zu scheint. Dies wird wohl nur solange gut gehen, solange zwar die Ansteckungsraten steigen, aber keine größeren Zunahmen von Krankenhaus-Einweisungen und Todesfälle zu vermelden sind. Dies tritt aber leider immer wieder mit einer mehrwöchigen Verzögerung auf. In Israel deuten neue Daten darauf hin, dass die Wirksamkeit der Biontech-Impfungen gegen die Delta-Varianten nur noch zu ca. 64% schützt. Immerhin werden schwere Verläufe immer noch zu über 90% verhindert. Verbleiben leider immer noch 10%. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie stark die voranschreitende Impfkampagne in der Lage sein wird, das Virusgeschehen einzudämmen. Leider ist in vielen Ländern, auch in Deutschland, zu beobachten, dass ab einer Impfquote von ca. 60% die Impfwilligkeit der verbleidenden Bevölkerungsteile sinkt. Aus diesem Grunde wird man nicht umhin kommen, dadurch Impfanreize zu setzen, dass Geimpften Vorteile gegenüber Nichtgeimpften eingeräumt werden. Nachdem eine allgemeine Impfpflicht nach wie von der Politik abgelehnt wird, dürfte diese Quasi-Impflicht durch die „Vordertüre“ die einzige Möglichkeit sein, die Impfquote zu erhöhen.
Die Aussicht auf weitere Lockerungen und die Möglichkeit für viele Menschen, endlich wieder ihren normalen Konsumtätigkeiten nachzugehen, dürfte den Konsumstau lösen und die Wirtschaft weiter befördern. Der dadurch entstehende inflationsdruck beschäftigt zwar die Börsianer, solange jedoch die Stimmungsindikatoren und Wirtschaftsdaten auf starkes Wachstum hindeuten, dürfte die Sommerruhe an den Aktienmärkten Bestand haben. Zudem sorgen die Kapitalzuflüsse aus der Vermeidung von Negativzinszahlungen und dem marktbreiten ETF-Wachstum für Unterstützung. Ein erneutes Eskalieren der Pandemielage dürfte jedoch für ein ausgeprägtes Sommergewitter an den Börsen sorgen.