Die Marktmeinung aus Stuttgart

Steigende Nervosität

Stuttgart, 21. Juli 2021 - von Michael Beck

Der erste Börsentag in dieser Woche war ein kleines Ausrufezeichen. Der deutsche Leitindex DAX lieferte mit einem Minus von -2,4% den höchsten Tagesverlust in diesem Jahr. Aufgrund der stetig steigenden Covid-19-Infektionszahlen wachsen die Zweifel an einer nachhaltigen starken Konjunkturerholung, wenn es im Herbst zu einer starken vierten Welle kommen könnte. Die voranschreitende Impfkampagne lässt viele hoffen, dass die Auswirkungen auf moderate bis leichte Erkrankungen beschränkt bleiben. Was jedoch zur Voraussetzung hat, dass sich eine ausreichende Bevölkerungszahl impfen lässt. Aufgrund der hohen Kursstände an den Aktienbörsen haben sich jedoch einige Investoren in Deckung begeben. Dies ist auch an den langfristigen Renditen abzulesen, die in Deutschland mit -0,39% den tiefsten Stand seit Monaten erreicht haben. Die Flucht in Sicherheit scheint derzeit wichtiger als die Sorge vor weiter steigenden Inflationsraten, die Anleihenkurse eher belasten und Renditen steigen lassen würden. Die neuesten Erzeugerpreise zeigen mit einer Steigerung von +8,5% zum Vorjahr weiteren Inflationsdruck an (z.B. Rohstoffe, Transport). Weitere Erkenntnisse über die Verfassung der Aktienmärkte wird die nun beginnende Berichtssaison der Unternehmen bringen und die Reaktion der Märkte auf diese Zahlen. Wir erwarten tendenziell eher positive Meldungen. Wird es nach der alten Börsenregel „Sell on good news“ gehen oder stellen eventuell steigende Unternehmensgewinne weiteren Treibstoff für die Börsenrally dar?

In Großbritannien findet derweil ein großes Experiment statt. Der Feiertag „Freedom Day“ wurde vom amtierenden Premierminister Johnson zum Anlass genommen, nahezu sämtliche Pandemie-Beschränkungen abzuschaffen. Und dies bei einer Inzidenz von 400 (!) und über 50.000 neuen Covid-19-Ansteckungen in England pro Tag. Der Premier setzt darauf, dass eine Impfquote von fast zwei Drittel der Bevölkerung hilft, eine neue Welle in den Krankenhäusern und steigende Todesfälle zu verhindern. Die Wirtschaft, insbesondere der Dienstleistungssektor wären sehr erleichtert, wenn diese Rechnung aufgeht. Die Mehrheit der Bürger in Großbritannien ist jedoch skeptisch und fühlt sich bei diesem Experiment eher unbehaglich.

In Deutschland berichtete die Bundesbank, dass die Bundesbürger erneut einen Rekordstand an Vermögen aufgehäuft haben. Im ersten Quartal 2021 stieg das Vermögen um weitere 192 Mrd. Euro auf nunmehr 7,14 Billionen Euro. Ein großes Reservoir, um für die Betroffenen der Flutkatastrophe im Westen der Republik zu spenden, aber auch, um den Konsum in der zweiten Jahreshälfte anzukurbeln. Die nun in der Breite von den meisten Banken erhobenen Verwahrentgelte veranlassen immer mehr Menschen, ihre Ersparnisse in Wertpapiere zu investieren, anstatt das Geld weiter auf Konten zu parken. Davon dürften vor allem die Aktienmärkte profitieren, wie die Rekordzuflüsse im ETF-Sektor (börsennotierte Indexfonds) zeigen.Außerdem dürften einzelne Kurskorrekturen von vielen Investoren genutzt werden, um in Aktien zu investieren, sofern das Pandemiegeschehen nicht aus dem Ruder läuft.

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