Die Marktmeinung aus Stuttgart

Pandemie-Schock 2.0

Stuttgart, 01. December 2021 - von Michael Beck

Man wusste, dass der Herbst und Winter schwierig werden würde. Aber außer den einschlägig bekannten Virologen und Epidemiologen haben wohl die meisten, allen voran die Politik die Wucht dieser vierten Welle unterschätzt. Die inzwischen doch noch eingeführten Verschärfungen (z.B. 2G-Regelungen) haben dazu geführt, dass die stockende Impfkampagne und das Boostern wieder deutlich in Schwung gekommen sind. Für die Wirtschaft bedeutet dies jedoch wieder einen empfindlichen Rückschlag, da viele umsatzstarke Weihnachtsmärkte und auch Veranstaltungen wieder abgesagt werden müssen. Die allgemeine Konsumlust privater Verbraucher (+6,2% zum Vorquartal) hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das deutsche BIP im dritten Quartal um +1,7% wachsen konnte. Nun scheinen das Wiederaufleben der Covid-19-Pandemie und die starken Anstiege der Inflationsraten das Konsumklima doch etwas einzutrüben. Der GfK-Konsumklimaindex taucht für den Dezemberwert wieder von +1,0 (November) auf -1,6 Punkte ab. Dies trifft den Einzelhandel gerade zum wichtigen Weihnachtsgeschäft besonders hart, da im November und Dezember generell der Löwenanteil der Jahresumsätze erzielt wird.

Nun schreckt eine neue Virus-Variante, die wohl aus dem südlichen Afrika stammt und nach dem griechischen Buchstaben „Omikron“ benannt ist, die Welt auf. Die Erwartung von neuerlichen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung ließen letzten Freitag nicht nur den DAX um 5% einbrechen, sondern auch viele andere internationale Indizes einschließlich USA und Asien. Bereits kurz nach Ausbruch der Ur-(Alpha)-Variante des COVID-19-Virus kündigten Virologen Anfang 2020 an, dass bei dieser Art von Corona-Viren mit regelmäßigen Mutationen zu rechnen sein würde. Dies verknüpften sie mit der Hoffnung, dass sich die Gefährlichkeit im Zuge dieser Mutationen in der Regel eher abschwächt als verschärft. Allerdings wartet die Welt noch auf die Mutante, die einen generell schwächeren Verlauf mit sich bringt. Ersten Berichten aus Südafrika zufolge könnte es bei der Omikron-Variante tatsächlich soweit sein, auch wenn dort bisher eher jüngere Menschen infiziert wurden, die meist schwächere Symptomverläufe zeigen. Wissenschaftler und Labore arbeiten weltweit daran, die Gefährlichkeit dieser Omikron-Variante zu ermitteln und zu prüfen, inwieweit die bisherigen Impfstoffe auch bei dieser Variante ihre Wirksamkeit beweisen können. Dies wird etwa zwei Wochen dauern, was dann auch die Zeitspanne der erhöhten Unsicherheit an den internationalen Börsen umfassen wird. Die Impfstoff-Firma Biontech hat bereits gemeldet, an einem auf die neue Omikron-Variante angepassten Impfstoff zu arbeiten. Die Impfungen respektive das Boostern dürften weiter helfen, schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden, was den Fokus auf die mangelhafte Impfquote in Deutschland richtet. Die Wirtschaft, insbesondere die schon im letzten Jahr gebeutelten Branchen Hotel- und Gaststättengewerbe, Veranstaltungs-, Messe und Kulturwesen, aber auch der Einzelhandel leiden wieder einmal darunter, dass sich immer noch zu viele Menschen der Impfung verweigern.

Es ist erstaunlich, von wie vielen Politikern nun eine allgemeine Impfpflicht für möglich gehalten wird, die noch vor wenigen Wochen kategorisch ausgeschlossen wurde. Dies liegt daran, dass sich die katastrophale Lage in den Krankenhäusern weiter verschärfen wird. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Bundesnotbremse in „der äußersten Gefahrenlage der Pandemie“ verfassungsgemäß war. So ist auch in der aktuellen Situation durchaus vorstellbar, dass flächendeckende Lockdowns wieder möglich werden. Für Kapitalanleger gibt es somit zwei Szenarien: stellt sich heraus, dass die neue Omikron-Variante beherrschbar bleibt und zwar ansteckender aber dafür ungefährlicher ist, stellen die aktuellen Kursturbulenzen günstige Einstiegskurse dar. Ist dies nicht der Fall, wird an den Börsen das, was billig geworden ist, eher noch billiger. Eine eher defensive Ausrichtung mit einer Cash-Quote von mind. 10% und der ein oder anderen Absicherungsposition ist in dieser von Unsicherheit geprägten Lage angezeigt.

Vor diesem Hintergrund verblassen die aktuellen Inflationsdaten, die in Deutschland zum Vorjahr um 6,0% gestiegen sind. Die Diskussion darüber dürfte sich jedoch nicht nur im EZB-Direktorium verstärken. Wir werden uns deshalb in der nächsten Woche vor allem diesem Thema widmen.

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