Die Inflation steigt und steigt – in den USA nun mit 6,8% auf ein 39-Jahreshoch. Die Aktienmärkte nahmen dies erstaunlich gelassen – es war wohl noch Schlimmeres befürchtet worden. Und obwohl auch in Deutschland und Europa langjährige Hochs bei der Inflationsentwicklung vermeldet werden, rentieren alle Laufzeiten des Bundesanleihen-Spektrums, selbst die 30-jährige Bundesanleihe, wieder im negativen Bereich. Dies bedeutet, dass Investoren, die ihr Geld mündelsicher anlegen möchten, aber auch jene Anleger, die qua Regulierung in Bundestitel investieren müssen (z.B. Versicherungen), eine „Aufbewahrungsgebühr“ an den emittierenden Staat bezahlen müssen. Der neue Finanzminister kann sich darüber freuen, dass er mit dem staatlichen Schuldenberg, der mit einem geplanten Nachtragshaushalt in Höhe von 60 Mrd. Euro nochmals erhöht werden soll, Geld verdient. Die Bandbreite reicht aktuell von -0,05% für 30-jährige Anleihen über -0,30% im 10-jährigen Bereich und -0,84% für einjährige Bundes-Papiere. Eine Flucht auf Liquiditätskonten ist für große Investoren schon längst nicht mehr möglich, aber auch im privaten Anlagebereich sinken die Freibeträge für die Entrichtung von sog „Verwahrentgelten“ stetig und werden wohl bald kaum mehr sichtbar sein.
Aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wäre eigentlich damit zu rechnen, dass mit den steigenden Inflationsraten auch steigende Anleiherenditen an den Rentenmärkten einhergehen. Aber auch hier gelten neue Regeln. Die Zentralbanken, allen voran die US-Fed, haben nun angekündigt, Anleihen-Kaufprogramme etwas zu reduzieren und auf die geldpolitische Bremse treten zu wollen, was den Druck auf die Zinsen vermindern würde. Andererseits lässt das Auftreten der neuen Covid-19-Virusvariante „Omikron“ viele Marktteilnehmer inzwischen befürchten, dass der Pandemie-Notstand immer weiter verlängert werden muss und die wirtschaftlichen Nachholeffekte sich noch einmal verschieben. Die Flucht in sichere Häfen zeigt sich dabei in der weiter starken Nachfrage nach sicheren Staatspapieren und damit in einem weiteren Renditerückgang. Verstärkt wird dieser Effekt durch den traditionellen Rückgang der Handels- und Emissionstätigkeiten zum Jahresende hin. Mindestens jene Kapitalsammelstellen, die aufgrund regulatorischer Bedingungen ihre liquiden Mittel bis zum Jahresende zu investieren haben, müssen dies über den Sekundärmarkt tun, was bei knappem Angebot zu steigenden Kursen und damit ebenfalls zu weiter sinkenden Renditen führt.
Insgesamt wird die Entwicklung der internationalen Zinslandschaft in den nächsten Wochen und Monaten wieder einmal von der Entwicklung der Covid-19-Pandemie bzw. den Impf- bzw. „Booster“-Fortschritten in den entwickelten Volkswirtschaften abhängen. Gleichzeitig sollte der Entwicklung der Inflationsraten, die in den kommenden Monaten wohl auf höherem Niveau verharren dürften als erwartet und den damit verbundenen Reaktionen der Zentralbanken große Beachtung geschenkt werden.
In der aktuellen Situation führen diese Rahmenbedingungen zu Realzinsen, die so tief im negativen Bereich notieren, wie noch nie zuvor. Zu den Negativrenditen des Anleihenmarktes addieren sich die hohen Inflationsraten nun zu historisch niedrigen bzw. negativen Realzinsen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir für Real- bzw. Sachwerte weiterhin stabile Kurse, möglicherweise sogar weitere Kurssteigerungen. Aktieninvestments dürften damit auch weiterhin ihren Status als wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen und langfristig kapitalschützenden Anlagestrategie behalten.