Die Preise steigen nicht nur in Deutschland, wie soeben die Bundesbank vermeldete, sondern auch in Europa, den USA und in vielen weiteren Ländern der Welt. Die Notenbanken und Finanzmärkte zeigen sich noch relativ unbeeindruckt, doch die Unsicherheit steigt mit allen weiteren Inflationsdaten die höher ausfallen als im Vormonat. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im November um 6,0 % im Vergleich zum Vorjahr, weit über allen Prognosen, die von Analysten und den meisten Notenbank-Vertretern für 2021 erstellt worden sind. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist, wie lange diese hohen Inflationsraten Bestand haben bzw. wann der Höhepunkt dieses Inflationszyklus erreicht wird.
Allen voran stufte die US-Notenbank Fed die aktuellen Inflationsraten bisher als ein vorübergehendes Phänomen ein. Dies ist auch nachvollziehbar, denn die aktuellen Preisschübe sind gemäß EZB-Analysen vordergründig von drei Ursachen bestimmt. Nahezu die Hälfte der aktuellen Inflationsraten sind den stark gestiegenen Energiekosten geschuldet. Großen Anteil haben auch die globalen Lieferengpässe, die sich z.B. in teuren Containerfrachtraten und einem sich immer länger hinziehenden Mangel an Halbleitern äußern. Diese Effekte lassen die Import- und Erzeugerpreise weiter steigen. Als weiteren Basiseffekt lässt sich die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland um 3% im Juli 2020 identifizieren, was dann ab Januar 2021 mit Ablauf der Maßnahme zu einem Inflationsbeitrag führte.
Die meisten dieser preistreibenden Einflüsse dürften sich in 2022 sukzessive verbessern oder gar auflösen. Allerdings könnte die Erholung länger dauern, als erwartet. Nach wie vor rechnen die meisten Analysehäuser und Zentralbanken damit, dass sich die Inflationsraten ab dem ersten Quartal 2022 ermäßigen, aber auf einem erhöhten Niveau verharren. Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Frage, inwieweit sogenannte Zweitrundeneffekte durch steigende Löhne die Preisspirale weiter befeuern. Noch vor einem halben Jahr, als die Inflationsraten zu steigen begannen, wurde eine solche Entwicklung als unwahrscheinlich eingestuft. Inzwischen zeigt sich aber, dass sich das Knappheitsphänomen in vielen Branchen auch auf den Arbeitsmarkt ausgeweitet hat. Nicht nur in Großbritannien werden LKW-Fahrer gesucht, auch in Deutschland, Europa und den USA tut man sich zunehmend schwerer, Fahrpersonal für eine reibungslose Logistik zu finden. Auch in der Bauwirtschaft, der Industrie, der Gastronomie und in vielen Sozial- und Pflegeberufen ist eine angespannte Personalsituation zu vermelden, was nicht nur kurz- sondern auch mittelfristig zu einem höheren Lohnniveau führen kann.
Für unsere Kapitalanleger richten wir den Blick vor allem darauf, ob und wie die internationalen Zentralbanken beginnen, gegenzusteuern. Sinken die Inflationsraten in 2022 recht schnell und starten die Nachholeffekte der Wirtschaft zügig, steht einem weiteren guten Börsenjahr kaum etwas im Wege. Wir erwarten dann nur leicht restriktive geldpolitische Maßnahmen der Zentralbanken, wie etwa eine Reduzierung der Anleihen-Kaufprogramme bei gleichzeitig weiter steigenden Unternehmensgewinnen, die die internationalen Aktienmärkte stützen. Aus heutiger Sicht gewichten wir diese positive Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr als Basisszenario mit 65%. Eine Stagflation, d.h. geringes Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig hohen Inflationsraten halten wir für eher unwahrscheinlich, es sei denn, es drohen neue Lockdowns durch Virusvarianten, die hoch ansteckend, gefährlich und darüber hinaus auch noch resistent gegen die aktuellen Impfstoffe sind. Ein abschließendes Urteil zur neuen Omikron-Variante steht hierzu noch aus. Wir halten Sie auf dem Laufenden.