Die Marktmeinung aus Stuttgart

Dunkle Wolken

Stuttgart, 17. August 2021 - von Michael Beck

Das war nach langer Zeit wieder einmal ein wirklich bescheidener Wochenauftakt für die Finanzmärkte. Überall auf der Welt scheinen sich dunkle Wolken am Horizont abzuzeichnen. Und so wie in Afghanistan sind manche Entwicklungen bereits Realität. Die Machtübernahme der Taliban geht so schnell vonstatten, dass kaum Zeit bleibt, Botschaftspersonal und Ortskräfte, die die für die westlichen Staaten gearbeitet haben und so möglicherweise Racheakten ausgesetzt sind, zu evakuieren. Die komplette Fehleinschätzung der Lage der internationalen Gemeinschaft resultierte aus der kaum erklärbaren, freiwilligen Kapitulation der 20 Jahre lang ausgebildeten und mit Milliardensummen aufgerüsteten afghanischen Armee. Die mühsamen Anstrengungen zur Demokratisierung des Landes und zur Stärkung der Frauenrechte haben sich in wenigen Tagen pulverisiert. Man mag sich nicht vorstellen, was auf die Menschen in Afghanistan, die auf eine freie Gesellschaft hofften, zukommt. China und Russland beeilten sich, die neue „Taliban-Regierung“ anzuerkennen, wahrscheinlich aus Furcht vor Unmutsaktionen der eigenen muslimischen Bevölkerungsteile. Geopolitisch bedeuten diese Entwicklungen eine weitere Schwächung der westlichen Einflusshemisphäre. Anders als in früheren Krisen in dieser Weltregion hat dies allerdings keine Auswirkung auf den Ölpreis, da die Taliban eher als Drogen-, denn als Ölproduzenten bekannt sind.

Wegen der enttäuschenden Konjunkturdaten aus China gab der Ölpreis sogar deutlich nach. Zudem sorgen sich die Kapitalmärkte wegen möglicher neuer Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verbreitung der hoch ansteckenden Covid-19-Delta-Variante. Ein chinesischer Hafen wurde aus diesem Grund bereits geschlossen, mit großen Auswirkungen auf die weltweite Transsportlogistik.

Auch die weiter ansteigenden Inflationsraten beunruhigen die Anleger. Rohstoff-, Energie-, Transport-, Erzeuger-und Verbraucherpreise steigen zur Zeit weltweit. Unter den Direktoren der US-Zentralbank Fed wird bereits heftig diskutiert, wann vor diesem Hintergrund das Ende der ultralockeren Geldpolitik eingeläutet werden soll. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die zur Erhöhung der Geldmenge eingesetzten, monatlichen Wertpapierkäufe der FED bereits im vierten Quartal 2021 reduziert und Mitte 2022 ganz beendet werden könnten.

Voraussetzung für eine solche Änderung der Geldpolitik wäre allerdings eine weiterhin positive Entwicklung der Wirtschaft, denn dann würden auch die Aktienmärkte dieses sogenannte „Tapering“ verkraften. Die Unternehmensgewinne sind mächtig gestiegen und werden in 2022 und 2023 wohl weiter steigen, wenn auch nicht mehr so stark wie in 2021. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse vieler Aktien, die 2020 deutlich über ihren langfristigen Durchschnittswert gestiegen waren, liegen deshalb inzwischen wieder im Normalmaß. Hält diese Entwicklung an, sind für 2022 sogar noch günstigere Bewertungen zu erwarten.

Maßgeblich wird dies vom Erfolg der Impfkampagnen abhängen. Wie die aktuellen Beispiele aus China, Australien und Neuseeland zeigen, stören Lockdown-Maßnahmen die wirtschaftliche Zuversicht erheblich. Auch in den USA ist der wichtige Frühindikator „Verbrauchervertrauen“ regelrecht abgestürzt, was zumindest etwas Druck aus der Inflationsdiskussion nimmt. Denn der Konsum macht rund 70% der Wirtschaftsleistung in den USA aus. Das Zentralbank-Treffen in Jackson Hole scheint auch vor diesem Hintergrund wieder einmal sehr interessant zu werden.

Hinweise:

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