Nun ist er da, der Herbst und der dichte Nebel beginnt auch über die Börsenparkette zu wabern, denn die Aussichten auf die nächsten Wochen und Monate sind für Investoren nicht mehr so klar, wie noch vor einiger Zeit. Immerhin blieben die saisonal im Oktober oft auftretenden Störfeuer in diesem Jahr aus. Der goldene Oktober wurde seinem Namen gerecht und wartete mit Kursgewinnen auf, die die leichten Rückgänge im September überkompensieren konnten. Nun stellt sich die Frage, ob das nächste saisonale Muster eintritt und das Börsenjahr mit einer Jahresendrally gekrönt werden kann.
Dazu müssen sich einige Belastungsfaktoren wenn nicht gleich auflösen, so doch zumindest etwas lichten. Zuallererst wird in den nächsten Wochen die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise, insbesondere die Preise für Strom und Gas im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Die aktuelle Nachricht, dass der russische Gasproduzent Gazprom seine Lieferungen über das vertraglich vereinbarte Niveau hinaus anheben wird, sorgt in diesem Punkt für eine erste Entspannung. Neben den allseits bekannten Problemen bei Lieferketten und Vorprodukten sorgen diese Verteuerungen für die größten Basiseffekte, die die aktuelle Inflationsraten in Deutschland nahe und im Dezember vielleicht sogar noch über die 5-%-Marke treiben. Ungeklärt bleibt weiter die Frage, ob diese Teuerungsphänomene vorübergehender Natur sein werden. Die Chefvolkswirte unserer Republik kommen zunehmend zu der Erkenntnis, dass einige der preistreibenden Faktoren die Lage dauerhaft beeinflussen. So zum Beispiel die Frachtraten im internationalen Schiffsverkehr. Pandemiebedingt herrscht immer noch eine Mangel an Containern, weil die langen Abfertigungstaus vor den zeitweise wegen Covid-19-Fällen gesperrten Häfen immer noch nicht abgebaut sind. Auch die Lohnkosten steigen weltweit aufgrund des Personalmangels, der nicht nur bei Lastwagenfahrern in Großbritannien zu verzeichnen ist, sondern auch Europa, die USA und den internationalen Schiffsverkehr betrifft.
Viele der ca. 1,2 Mio. Seeleute sind nach der langen pandemiebedingten Stresszeit und ununterbrochenen Einsätzen ohne Heimaturlaub erschöpft und werden wohl nur mit deutlich höheren Löhnen bei der Stange zu halten sein. Diese Personalengpässe treffen auch Europa, China und Japan ebenso wie die USA, wo die Anzahl der freien Stellen schneller steigt, als die Zahl der Arbeitssuchenden. Entgegen den ersten Erwartungen dürften sich deshalb nun doch Zweitrundeneffekte aus einer Preis-Lohn-Spirale einstellen. Die Inflationsraten werden sich in 2022 zwar wieder etwas ermäßigen, dürften jedoch gegenüber 2019 auf einem höheren Niveau verharren. Dies stellt für die Aktienmärkte kein Problem dar, solange die Zinsen an den Rentenmärkten nicht zu stark steigen. Die Zentralbanken werden versuchen, das Zinsniveau mit ihren monatlichen Anleihekäufen weiterhin künstlich niedrig zu halten. Den Anfang vom Ausstieg aus der exorbitant expansiven Geldpolitik macht sicherlich eine sukzessive Reduzierung der Kaufvolumina, um die Märkte schonend auf den Kurswechsel einzustimmen. Der aktuell rekordverdächtig negative Realzins zumindest befördert bis auf weiteres das positive Sentiment für die Aktienmärkte.
Das Wirtschaftswachstum wird die letzten beiden Monate des Jahres 2021 nicht die Erwartungen erfüllen können, die über den Sommer aufgebaut wurden. Obwohl China mit sehr guten Exportzahlen aufwartet, dürfte das Wachstum infolge der ideologischen Orientierung nach innen, wegen der Abkehr von einer rein kapitalistischen Ausrichtung und aufgrund der Krise um den Immobilienentwickler Evergrande eher nachlassen. Die Hoffnungen liegen auf dem ersten Halbjahr 2022, welches durch nachlassende Inflationsraten und Nachholeffekte in Produktion und Konsum geprägt sein könnte. Diese Hoffnung dürfte zumindest verhindern, dass Aktieninvestoren noch vor dem Jahresende Gewinne mitnehmen und Kasse machen.