Die Marktmeinung aus Stuttgart

Börsen-Phönix schwingt sich auf

Stuttgart, 24. März 2021 - von Michael Beck

Gestern jährte sich der Tag, an dem die Börsen weltweit ihren Tiefpunkt im Covid-19-Pandemie-Crash fanden. Wie bei dem alten mythischen Vogel erhoben sich die Indizes danach „wie Phönix aus der Asche“. Bei den einzelnen Indizes unterschied sich das genaue Datum zwar um den ein oder anderen Tag zwischen dem 18. und 23. März 2020, das war aber nach dem kürzesten und heftigsten Crash in der Börsengeschichte nicht mehr von Belang. Innerhalb von nur vier Wochen verloren die wichtigsten internationalen Aktienbarometer fast 40 % ihrer Werte und selbst so sicher geglaubte Assetklassen wie Staatsanleihen und Gold gaben infolge diverser Liquiditätsengpässe mit den damit notwendig gewordenen Verkäufen großer institutioneller Investoren nach. Panikartige Zustände erfassten die Weltbörsen und ließen viele Anlagesegmente illiquide werden. Einzig das beherzte Eingreifen der Zentralbanken mit ihren geldpolitischen Maßnahmen und der Regierungen durch das Öffnen der Fiskal-Füllhörner verhinderte den Totalkollaps der Finanzmärkte. Die warme Luft aus den Geldkanälen führte zu einer Thermik, die den Börsen-Phönix in schwindelnde Kurshöhen schweben ließ. Eine fulminante Kurserholung prägte die vergangenen 12 Monate. So stieg beispielsweise der Dow-Jones-Index von seinem Tiefpunkt im März 2020 um +74 %, der DAX um +73 % und der Nikkei-225-Index um +71 %. Die europäischen Indizes blieben mit +63 % des EURO STOXX 50 und +41 % des paneuropäischen Index STOXX 50 etwas zurück.

Die Preisentwicklung vieler Rohstoffe und Edelmetalle während der letzten 12 Monate erklärt den Meinungsumschwung hinsichtlich der Inflationserwartung. Beim Goldpreis halten sich die +8 % Preisanstieg in Euro gerechnet und +17 % in USD noch im Rahmen, die Preisexplosion des Rohöls mit einem Plus von 128 % und verschiedener Industriemetalle führt aufgrund der Basiseffekte automatisch zu deutlichen Inflationstendenzen. So schauen die Aktienmarktakteure derzeit auf die Entwicklung der langfristigen Zinslandschaft wie das Kaninchen auf die Schlange.

Die Ankündigung eines neuerlichen Oster-Lockdowns, auch wenn er beschönigend als „Osterruhe“ bezeichnet wird, trüben die Anlegerstimmung. Des Weiteren bauen sich geopolitische Risiken mit neuen Sanktionen gegenüber Russland und China immer weiter auf, werden aber auf den Börsenparketten weitgehend ignoriert. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die USA und China in Handelsfragen einigermaßen tragfähige Kompromisse erreichen können. Das Tauziehen um Einfluss und militärische wie wirtschaftliche Vorherrschaft wird über kurz oder lang aber zu massiven Problemen führen, wie die wachsenden Spannungen um Taiwan zeigen. Dagegen nimmt sich die dilettantische Entscheidung des türkischen Präsidenten Erdogans, die zu einem Kollaps der türkischen Währung geführt hat, relativ harmlos aus. Das Hinauswerfen des Notenbank-Chefs, der es nach Jahren endlich einmal geschafft hat, mit kleinen Zinserhöhungen wieder etwas Vertrauen bei den internationalen Kapitalgebern zu schaffen, wird die Türkei nun endgültig um das internationale Vertrauen bringen und die Wirtschaftskrise verschärfen. Glücklicherweise handelt es sich hier um ein isoliertes Ereignis, das die anderen Schwellenländermärkte erst einmal nicht betrifft und voraussichtlich nicht ansteckt.

Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung wird nach wie vor die Versorgung mit Impfstoff entscheidend sein, wozu die weitere Zulassung von Impfstoffen (z. B. CureVac) beitragen wird. Leider scheint die Impfbereitschaft derzeit mit den Diskussionen um die schweren Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffes Schaden zu nehmen. Denn es scheint so zu sein, dass genau die falsche Entscheidung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland getroffen wurde, nämlich diesen Impfstoff nur für Menschen unter 65 Jahren zu verwenden, da Daten in der Zulassungsstudie für ältere Bevölkerungsgruppen fehlten.

Nun scheint es so zu sein, dass die schweren Nebenwirkungen zwar sehr selten, aber mitunter tödlich und vor allem bei jüngeren Frauen auftreten. Trotz der Seltenheit des Vorkommens dieser Nebenwirkung wird jeder neue Fall die Impfbereitschaft negativ beeinflussen. Aber nur wenn die Impfkampagne an Schwung gewinnt, kann die lang ersehnte und immer wieder verschobene Konjunkturerholung Fuß greifen. Noch schauen die Investoren durch die Krise hindurch und hoffen auf den stetig ansteigenden Impfstoff-Zufluss. Zudem scheinen die Stimuli der Zentralbanken und der Fiskalprogramme vieler Regierungen weiterhin Bestand zu haben. Aus diesem Grund können die Aktienkurse wohl noch eine Weile in luftiger Höhe bleiben und sich sogar noch weiter aufschwingen, sofern sie sich nicht wie Ikarus an der heißen Sonne der hohen Bewertungen verbrennen und abstürzen.

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