Das neue Jahr beginnt wie so oft mit guten Vorsätzen, aber leider mit alten Gewohnheiten. Allen voran die fundamental-islamistische Taliban, die nun, als sich die Wogen der Aufmerksamkeit über den Abzug der Alliierten in Afghanistan und die handstreichartige Machtübernahme der Taliban geglättet haben, ihr wahres Gesicht zu zeigen beginnen. Neuesten Anordnungen zufolge sollen alle Schaufenster-Puppen geköpft werden (Götzenbilder), Musik abspielen beim Autofahren ist verboten, die meisten weiterführenden Schulen sind für Mädchen geschlossen und erwachsene Frauen dürfen ohne männliche Begleitung nicht mehr als 45 Meilen (72km) reisen. Die Sachlage scheint entschieden, die internationale Gemeinschaft dürfte das Land mehr oder weniger aufgeben und große Teile der Bevölkerung werden sich wohl auf den Migrationsweg vornehmlich gen Europa aufmachen. Für die internationalen Finanzmärkte ist dies relativ bedeutungslos, da dieses arme Land keine Bedeutung für die Weltwirtschaft hat. Anders verhält es sich mit dem aktuellen Land der Unruhe, dem viertgrößten Handelspartner Europas in Sachen Energie/Rohstoffe und seltene Erden - Kasachstan, das blutige Unruhen erlebt. Man könnte denken, dass dieses Land, welches so weit aus dem Blickfeld der Investoren liegt, für die Finanzmärkte wenig Bedeutung hat. Aber aktuell ist der Inflationsdruck aufgrund hoher Energiepreise sowieso schon hoch, sodass dies für weitere Verunsicherung sorgt. Auch an Nebenschauplätzen sind Auswirkungen spürbar. Aufgrund der niedrigen Energie-/Strompreise sind z.B. viele „Bitcoin-Miner“, also Produzenten dieser Krypto-Währung, die aufgrund der dafür benötigten hohen Rechnerleistungen massiven Stromverbrauch generieren, von China nach Kasachstan ausgewandert. Da nun dort das Internet abgeschaltet wurde, tut man sich demgemäß schwer, diese Mining-Aktivitäten fortzusetzen. Der Bitcoin-Kus hat daraufhin bereits 15% an Wert verloren. Zumindest die Aktienmärkte hat das bisher kaum beeinflusst, sie setzten ihren Aufwärtstrend in den ersten Januartagen ungeschmälert fort. Erst die Veröffentlichung des jüngsten FED-Protokolls, dem zu entnehmen war, das nun doch noch schnellere und stärkere Zinsmaßnahmen geplant sind, brachte insbesondere die Tech-Aktien ins Rutschen.
Die jüngsten Inflationsdaten in Europa, die im Dezember anstatt eines erwarteten leichten Rückganges einen Anstieg auf rekordverdächtige 5% aufzeigten, beunruhigen viele Marktteilnehmer zunehmend. Es wachsen die Zweifel an der abwartenden Haltung der EZB, die nach wie vor davon ausgeht, dass ein Großteil des aktuellen Inflationsdrucks vorübergehender Natur sein wird. Einige Basiseffekte (Mehrwertsteuererhöhung, Anstieg Energie-/Ölpreise) werden zwar wegfallen, die Teuerung hat aber inzwischen an Breite gewonnen und auch Lebensmittel etc. erfasst. Es ist also zum Konsens geworden, dass der Inflationssockel höher sein wird, als vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Nun wird es davon abhängen, ob die gefürchteten Zweitrundeneffekte aus starken Lohnerhöhungen eintreten werden, die die Inflationsspirale weiter antreiben könnten. Erste Ankündigungen für die nächsten Lohnrunden, z.B. der IG Metall, lassen hier Ungemach erahnen. Es steht zu hoffen, dass die erwartete Rückbildung der Inflationsraten rechtzeitig vor den Lohnverhandlungen eintritt, damit hier moderate Kompromisse erzielt werden können.
Die Industrieproduktion sank im November in Deutschland leicht um -0,2%, während die Exporte aufgrund unerwartet hoher Nachfrage aus den USA und Europa steigen konnten. Die vorliegenden sehr hohen Auftragseingänge und der Echtzeitindikator „LKW-Verkehr“, der im Dezember gestiegen ist, lassen eine Industrieproduktionsausweitung für den Dezember um 1% erwarten. Das Ausmaß der Wachstumsmöglichkeiten in den ersten Monaten des Jahres 2022 wird von den Bedingungen der Lieferschwierigkeiten von Halbleitern und Vorprodukten abhängen. In dem Maße, in dem diese sich auflösen, können die bestehenden Aufträge schneller abgearbeitet werden und zur Wachstumsbilanz beitragen. Die Störungen des Welthandels durch das Auftreten der ansteckenderen „Omikron“-Variante, insbesondere durch rigorose Schließungen von Millionenstädten und Häfen in China könnten dies jedoch wieder einmal verzögern.
Unabhängig von Konjunktur-Zyklen zu investieren könnte die Lösung sein. Die aufsehenerregende Meldung, dass in den USA einem sterbenskranken Patienten das Herz eine genveränderten Schweines eingesetzt wurde, macht über 100.000 Patienten in den USA und wahrscheinlich vielen Millionen weltweit, die auf ein Spenderherz warten, große Hoffnung. Die Genveränderung war notwendig, damit der menschliche Organismus das Schweineherz nicht abstößt. Dies ist ein Beispiel, mit welcher Innovationskraft Trends gesetzt werden können. Für die Anlagestrategie bedeutet dies, Investments in Megatrends zu integrieren und zu intensivieren.
Das neue Anlagejahr 2022 dürfte daher sehr interessant werden. Die mit Vorschuss-lorbeeren gestartete neue Ampel-Regierung in Deutschland beginnt zu registrieren, dass sich das Regierungsgeschäft fundamental vom Oppositions-Dasein unterscheidet. Die FDP wird noch einige Klimmzüge unternehmen müssen, um ihre Steuer-Wahlversprechen und die angestrebte Haushalts-Solidität einhalten zu können. Die Grünen hingegen bekommen aktuell große Probleme mit ihrer Basis, denn die neuen EU-Kommissions-Vorschläge zur Einstufung der Atom- und Gasenergie als nachhaltige Energieformen stehen in direktem Kontrast zur Grünen-Doktrin. Auch ihre Einstellung zur Gen-Technologie wird mit dem US-Schweineherz-Beispiel und vielen noch notwendigen Aktivitäten im landwirtschaftlichen Bereich (Klimawandel) auf die Probe gestellt werden. Angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai in Frankreich, die auch für Europa sehr wichtig und entscheidend sein werden, gilt es, den Schulterschluss mit dem französischen Präsidenten Macron zu üben. So steht das Ziel, das erste Halbjahr an den Aktienmärkten gut zu überstehen, da dann einige Belastungsfaktoren (Lieferkettenprobleme, Inflation, Energie-/Ölpreise) weniger stark zu Buche schlagen dürften. Wenn dann noch die Zentralbanken ihren angekündigten moderaten Weg zur Normalisierung der in den vergangenen Jahren ausgeuferten geldpolitischen Maßnahmen beschreiten, könnte das Anlagejahr 2022 für Investoren erneut Erfreuliches mit sich bringen.